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Wochen des Gedenkens

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Jedes Jahr im November gedenkt Hamburg mit zahlreichen Aktionen der Opfer des Nationalsozialismus und erinnert an das Leid des von Deutschland ausgegangenen Krieges. 2024 waren Schülerinnen und Schüler mit mehreren Veranstaltungen dabei:

Filmvorführung „Der Pfad“
Am 6. November wurde die Aula zum Kinosaal. Vermittelt durch die Bergedorfer AG Gedenken und unterstützt vom Schulverein sahen die 6. und 7. Klassen den preisgekrönten deutsch-spanischen Film „Der Pfad“ (2022). Er erzählt die wahre Geschichte von Geflüchteten des NS-Regimes, kritischen Autoren und Künstlerinnen, die 1940 im französischen Exil nicht mehr sicher waren. Der zwölfjährige Rolf muss mit seinem Vater über die Pyrenäen nach Lissabon gelangen, um von dort weiter in die USA reisen zu können. Die Flucht gestaltet sich beschwerlich und lebensgefährlich, das Schicksal des Vaters bleibt ungewiss.

Das Besondere an der Filmvorführung: Drehbuchautorin und Schauspielerin Jytte-Merle Böhrnsen, die mit ihrem Ehemann, dem Regisseur Tobias Wiemann, den Film gemacht hat, war gekommen, um die Fragen des Publikums zu beantworten. Und das waren sehr viele Fragen – zu den historischen Ereignissen, zur Filmproduktion, zum Beruf der Schauspielerin. Die ehemalige Luisen-Schülerin beantwortete sie ausführlich und gab am Ende noch Autogramme.

Gedenken an Walter und Clara Bacher

Die meisten von uns kennen sie: sogenannte Stolpersteine aus Messing im Straßenpflaster mit Namen von Menschen, die von den Nationalsozialisten verfolgt, verschleppt, ermordet wurden. In den Wochen des Gedenkens gilt ihnen besondere Aufmerksamkeit. Zwei Stolpersteine liegen seit 2006 vor der Hamburger Klosterschule am Berliner Tor, sie erinnern an Walter Bacher und seine Frau Clara. Der Lehrer für Griechisch und Latein wurde 1933 aufgrund des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ aus dem Hamburger Schuldienst entlassen. Als Sohn jüdischer Eltern musste er gehen, obwohl er christlich getauft, Sozialdemokrat und bis dahin ein beliebter Lehrer gewesen war. Niemand setzte sich für ihn ein. Unter großen Schwierigkeiten bekam er noch eine Anstellung an der jüdischen Talmud Tora Schule, bis er zusammen mit seiner ebenfalls aus einer jüdischen Familie stammenden Frau Clara in das Ghetto Theresienstadt deportiert und 1944 in Auschwitz ermordet wurde.

Dass wir heute so viel über Clara und Walter Bacher wissen, ist Barbara Brix zu verdanken, die ein halbes Jahrhundert später an der Klosterschule unterrichtete und die das Schicksal Bachers noch immer persönlich berührt. Hartnäckig hat sie seinen Lebensweg recherchiert und in einem Buch veröffentlicht. Sie engagiert sich im Freundeskreis KZ-Gedenkstätte Neuengamme und in der Arbeitsgemeinschaft Gedenken. Am 19. November 2024 besuchte Frau Brix unsere Profilkurse Geschichte der 10k und 10m. Mit vielen Bildern und Dokumenten zeichnete sie den bedrückenden beruflichen und persönlichen Niedergang des Lehrers nach und beantwortete ausführlich unsere Fragen. Sie vermittelt die Geschichte in Schulen als mahnendes Beispiel, wohin Rassismus und Ausgrenzung führen, denn das Erstarken der AfD und rechtsextremer Haltungen in unserer Gesellschaft erfüllen die 84jährige mit großer Sorge. Was ist uns aus der Lesung und dem Gespräch mit Frau Brix besonders in Erinnerung geblieben? Hier einige Eindrücke:


Es war wirklich cool, dass eine Autorin, die sich so gut mit einem Thema auskennt, bei uns war. Es gab so viele Einzelheiten und Details zu Walter Bachers Leben, dass es nicht langweilig wurde, Frau Brix zuzuhören. Eine Sache ist mir besonders im Gedächtnis geblieben: dass Bacher die Möglichkeit und die Kontakte hatte, zu fliehen. Das tat er jedoch nicht, weil er so stolz und überzeugt von seinem Land war. Außerdem war es wirklich außergewöhnlich, ein Buch, welches Bacher persönlich gehörte, zu sehen und anfassen zu dürfen. Zuletzt fand ich sehr gut, dass wir gemeinsam über unsere politische Situation heutzutage gesprochen haben, denn es ist wichtig, junge Leute wie uns darüber zu informieren und aufzuklären. (Ksenia)

Ich fand den Bezug zu unserer Gegenwart sehr erschreckend und dass es genauso anfing wie jetzt mit der Diskriminierung. (Eva B.)

Es ist erschütternd, wie gegen Leute wie Walter Bacher vorgegangen wurde, obwohl es keinen Grund gab, zumal kein Grund es rechtfertigen würde, Menschen aus der Gesellschaft auszuschließen und zu ermorden. Frau Brix war sehr daran interessiert, uns das Thema zu vermitteln und man hat gemerkt, wie sehr sie davon Ahnung hat. Ich habe teilweise neue Details kennengelernt, aber mir wurden auch viele Aspekte in Erinnerung gerufen, welche bereits bekannt sind und immer wieder erschrecken. Beispiele dafür sind die Zustände in Ghettos und Konzentrationslagern sowie der selbstverständliche Umgang mit Opfern. (Moritz)
Mir ist besonders die Art, wie Frau Brix über Walter Bacher gesprochen hat bzw. wie sie mit ihm verbunden zu sein scheint, obwohl sie ihn nicht persönlich gekannt hat, in Erinnerung geblieben. Ich bewundere, wie viel Durchhaltevermögen sie mit ihrer Nachforschung bewiesen hat. (Lydia)

Uns ist besonders in Erinnerung geblieben, dass Walter Bacher nicht aus Deutschland geflüchtet ist, weil er davon ausgegangen ist, dass er als Deutscher, der im 1. Weltkrieg für Deutschland gekämpft hat, und als gebildete Person (Lehrer) nicht verfolgt werden wird. (Lenny/Abror)

Ich fand es interessant, dass die Widerstandsgruppe Schachblume den Juden geholfen hat, obwohl die Beteiligten selber nicht jüdisch waren, sondern sie taten es aus sozialen Gründen für den Menschen. (Philipp)

Mahnmal St. Nikolai

Jeder, der Hamburg von Ost nach West durchquert, kommt an diesem markanten Punkt vorbei und fragt sich vielleicht, was es damit auf sich hat: Die Kirchenruine von St. Nikolai mit ihrem ausgebrannten Turm. Am 7. November 2024 besuchten die Profilklassen Geschichte, 10k und 10m, dieses Mahnmal des Zweiten Weltkriegs. Im Kellergewölbe unter dem Kirchenschiff, von dem nur noch die rückwärtige Wand erhalten ist, befindet sich eine Ausstellung, die eindrucksvoll über die „Operation Gomorrha“ im Sommer 1943 informiert. Sie zeigt das furchtbare Leid der Opfer der alliierten Bombenangriffe, nicht ohne daran zu erinnern, was der deutsche Vernichtungskrieg zuvor in anderen Städten Europas angerichtet hatte. Einige Exponate lassen keinen Zweifel daran, dass die Nazis schon früh und zu Recht damit rechneten, dass der Krieg nach Deutschland zurückkommen würde. Dass es St. Nikolai traf, ist kein Zufall, wie uns der Guide erklärte: Der Turm bildete damals genau die Mitte und den höchsten Punkt der Stadt und diente den alliierten Bomberpiloten so zur Orientierung beim Anflug auf Hamburg. Nach dem Krieg wurde die Kirche nicht wieder aufgebaut, sondern dient bis heute als Gedenkstätte. Welche Verluste und Narben die Stadt erlitten hat, wird an Fotos deutlich, die Hamburg vor dem Krieg und das lebendige Wohn- und Geschäftsviertel rund um St. Nikolai zeigen. Was Krieg für die Menschen bedeutet, damals wie heute, wird an diesem Ort der Erinnerung konkret und eindrucksvoll erfahrbar.

Rechte Gewalt in Hamburg

Die Arbeitsgemeinschaft Gedenken Bergedorf hat sich erfolgreich dafür eingesetzt, dass die Wanderausstellung „Rechte Gewalt in Hamburg von 1945 bis heute“ nach Bergedorf kam. Vom 4. November 2024 bis 31. Januar 2025 wurde sie im Körberhaus gezeigt. Dort haben unsere Profilklassen Geschichte 10k und 10m sie besucht. Wir haben uns mit der Zielsetzung der Ausstellung auseinandergesetzt und uns gefragt, was Gewalt zu „rechter“ Gewalt macht, welche Motive die Täter*innen leiten und wer die Opfer sind. Einige Erkenntnisse: Formen rechter Gewalt sind vielfältig, ihr Gesicht hat sich durch die Jahrzehnte gewandelt, aber was sie verbindet, ist die Menschenfeindlichkeit gegenüber bestimmten Gruppen, die ihre Opfer werden – aufgrund ihrer Herkunft, Abstammung, Religion, ihrer sexuellen Identität oder ihrer sozialen Situation (siehe Abbildung). Vielen der Opfer gibt die Ausstellung Namen und Gesicht, einige haben wir weitergehend recherchiert.

Oft hört man heute, die Geschichte wird sich nicht wiederholen, heute leben wir in einer stabilen Demokratie. Die zahlreichen Fälle rechter Gewalt allein in Hamburg (und nicht wenige in Bergedorf) zeigen allerdings: Die Geschichte des Rechtsextremismus hat in Deutschland nie aufgehört. Im Jahr 2024 wurde bundesweit zum dritten Mal in Folge ein Anstieg rechter Gewalt verzeichnet. Die Ausstellung zeigt aber auch positive Beispiele, es werden verschiedene Initiativen zur Prävention und Bekämpfung von Rechtsextremismus vorgestellt. Engagieren kann man sich zum Beispiel bei Aktionen des „Hamburger Bündnis gegen Rechts“.

Wer die Ausstellung verpasst hat und mehr über das Thema erfahren möchte, kann sich den Katalog bestellen bei der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte oder die interaktive Seite rechtegewalt-hamburg.de besuchen.