Lui-Navigation

close icon

Vortrag von Uriel Kashi am 7. Mai 2024

Veröffentlicht am

Wenn man durch die Straßen Tel Avivs oder Jerusalems geht, ist vom Krieg wenig zu spüren. Menschen gehen ihrer Arbeit nach, ins Restaurant oder einkaufen, erzählt Uriel Kashi. Seit dem 7. Oktober vergangenen Jahres ist in dem Land wieder so etwas wie Normalität eingekehrt – zumindest auf den ersten Blick. Denn der Tag hat in der ganzen Nation ein tiefgreifendes Trauma ausgelöst, das mit einem Sicherheitsbedürfnis, so groß wie nie zuvor, einhergeht. Und dazu hat Israel auch allen Grund; schließlich stellte der Hamas-Terrorakt vom 7.10.2023 ein Ereignis von grausamster Brutalität und Entmenschlichung dar. Von den ca. 1200 seit diesem Angriff Getöteten, das nimmt der Deutsch-Israeli an, kennt jeder der rund 10 Millionen Israelis einen oder einen seiner Angehörigen.

Kashi und seine Familie, die in Jerusalem leben, sind glücklicherweise verschont geblieben. Trotzdem zeigt sich auch in seiner Geschichte, wie radikal sich das Leben von einen auf den anderen Tag ändern kann. Am Abend des 6. Oktober kehrte er mit seinem Sohn aus dem Urlaub in Ägypten zurück; in den frühen Morgenstunden des darauffolgenden Tages begann bereits der Terrorangriff. Das Land zu verlassen, kam für die Familie aber von Beginn des Krieges an nicht in Frage, aus Solidarität mit ihren israelischen Mitbürger- und Freund:innen.

Am 7. Mai 2024 kam Uriel Kashi allerdings nicht nur als Zeuge eines Gewaltakts in die Aula des Luisen-Gymnasiums. Den Vortrag zum Nahostkonflikt für den 11. Jahrgang sowie die 10k hielt er vor allem in seiner Funktion als Historiker. Als Leiter von Gruppenreisen nach Israel-Palästina ist er ohnehin Nahost-Experte. 

Im Fokus seines 60-minütigen Vortrags stand neben Israel und seiner Gründungsgeschichte die Beziehung zu verschiedenen arabischen Staaten und Terrorgruppen wie die Hisbollah und Hamas.

Kashi betont, er habe keinen Anspruch auf eine absolute Objektivität und könne diesem als jüdischer Israeli auch nicht gerecht werden. Immer wieder erinnert er sein Publikum: Die Aussagen treffe er aus israelischer Perspektive heraus. Spätestens die kritischen Nachfragen im Anschluss an den Vortrag, die Kashi ausdrücklich wünschte, regten zu einer multiperspektivischen Auseinandersetzung mit dem Thema an. Sie zielten auf die Genozid-Anklage Südafrikas vor dem internationalen Gerichtshof ab oder konfrontieren den Referenten mit den zivilen Opfern im Gazastreifen, die Israel zu verschulden hat.

Neben vielen positiven Tönen während der Evaluation im Unterricht der 11. Klassen zeigte sich auch, dass einige Kashis Antworten auf diese Fragen als unbefriedigend empfanden.

Manche schätzten den Vortrag auch als zu kompliziert oder für eine Stunde übermäßig gehaltvoll ein; es sei zeitweise schwer gewesen, dem Redner zu folgen.

Vielleicht ist aber gerade diese Kritik eine der wichtigsten Erkenntnisse nach dem Referat. Denn sie führt uns wieder einmal vor Augen, dass ein komplexes Thema einer differenzierten und intensiven Auseinandersetzung bedarf, die manchmal auch anstrengend sein kann. 

Zu dieser hat Kashi einen wichtigen Beitrag geleistet und daran erinnert, dass die Thematik des Nahostkonflikts keine dualistische ist: Eine fundierte Positionierung muss sich von den vermeintlichen Polen „Israel vs. Palästina“ oder „Krieg vs. Frieden“ lösen.

Eine solche Simplifizierung, häufig gepaart mit einer starken Emotionalisierung, ist vor allem in den sozialen Medien, die junge Menschen am meisten nutzen, kaum zu übersehen. Mit der Veranstaltung am Luisen-Gymnasium gelang es Uriel Kashi auf jeden Fall, diesem Populismus entgegenzuwirken.

Wer sich für Kashis Arbeit interessiert, findet weitere Informationen unter www.reiseleiter-israel.de oder auf seinem YouTube-Kanal, @UrielKashi.

Text: Amrei Falkson, S2

Fotos: Nicole Knaack