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Wolfgang Blandow in der 10k

Zeitzeugenbesuch

Am 21.08.2020 besuchte uns der Zeitzeuge Herr Blandow.

In Geschichte haben wir uns gerade mit dem Ende des 2. Weltkriegs beschäftigt, also auch mit der Operation Gomorrha, dem große Bombenangriff auf Hamburg 1943, ausgeführt von den Alliierten, um die Deutschen zum Widerstand gegen Adolf Hitler und die Nazi-Herrschaft zu bewegen.

Wolfgang Blandow wurde 1938 geboren, also war er zu der Zeit des Angriffs fünf Jahre alt. Er kann sich nicht mehr an alles erinnern, aber noch, wie wir finden, an sehr viel. Zur Zeit des Angriffs hat der heute 82-jährige mit seinem kleinen Bruder, seiner Schwester und seiner Mutter in Hamburg-Horn gelebt. 

Schon in frühen Kindheitsjahren wurde ihm die Abneigung gegen die Briten anerzogen. Wie zum Beispiel mit Spielzeugen, die er zu Weihnachten bekam. Als Beispiel hat er zu Weihnachten eine Kanone bekommen, die Holzpfeile auf ein Britisches Flugzeug schießt, welches man an der Decke befestigte. Vor und während der Luftangriffe auf Hamburg wurden von der Royal Air Force Stanniolstreifen benutzt, um die deutschen Radare zu verwirren. Da die Stanniolstreifen aber nicht nur in Streifen-Form vom Himmel vielen, sondern auch in der Form von zum Beispiel Schornsteinfegern, wollten die Kinder diese aufheben. Dies erlaubte die Mutter aber nicht und behauptete, die Briten hätten die Streifen vergiftet. Wenn während der Luftangriffe Fensterscheiben zerbrachen, mussten sie sofort mit Pappe verklebt werden. Es hieß, sonst steigen die Engländer in die Wohnung und bringen die Kinder um. Herr Blandow erzählte uns, dass er fast fünfzig Jahre gebraucht hat, um die Abneigung gegen die Briten abzulegen. 

Im Juli 1943 hieß es, Frauen und Kinder sollen die Stadt verlassen. Da aber kein Zug mehr fuhr, musste die Familie in der Stadt bleiben. Damals wohnte er in einem zweistöckigen Etagenhaus im heutigen Bömelburgweg 18. Auf der anderen Straßenseite war ein Sportplatz, der ihm und seiner Familie das Leben gerettet hat.

In Horn gab es nicht viele öffentliche Luftschutzbunker, die Bewohner haben in extra dafür hergerichteten Luftschutzkellern in ihrem Wohnhaus Schutz gesucht. Entlang der Wände standen Bänke, auf denen die Hausbewohner während eines Alarms in graue Wolldecken gehüllt saßen. So auch Herr Blandow und seine Familie. Er hat uns erzählt, dass jedes Haus einen Luftschutzbeauftragten hatte, der die Familie warnte, wenn eine Brandbombe ins Haus einschlug. An die ersten Nächte der Angriffe erinnert sich Herr Blandow nicht mehr genau, aber die Nacht vom 28.07 auf den 29.07.1943 wird er wohl nie mehr vergessen. Die Nacht, in der auch bei ihnen eine Brandbombe einschlug. Mitten in der Nacht kam ihr Luftschutzbeauftragter in den Keller, der ihnen sagte, dass eine Bombe in das Haus eingeschlagen sei. Sofort flohen alle auf den gegenüberliegenden Sportplatz, der ihnen schlussendlich das Leben rettete. Hätte es den Sportplatz nicht gegeben, wären Herr Blandow und seine Familie wahrscheinlich in einer der Straßenschluchten verbrannt. So geschah es nämlich an vielen anderen Stellen in Hamburg, da es aufgrund der Wetterlage einen Kamineffekt gab, durch den aus einzelnen Bomben ein verheerender Feuersturm in Hamburg wurde. 

Der Sportplatz sei voller Menschen gewesen, die dort eng nebeneinander hockten. Herr Blandow erzählte, dass er teilnahmslos in das Flammenmeer starrte. Dabei beobachtete er, dass das Haus vom Dach her Stockwerk für Stockwerk abbrannte bis zum Parterre, wo er eben noch gewohnt hatte. Er erinnert sich, wie die Möbel in den Zimmern in Flammen aufgingen. Angst habe er nicht empfunden, weil er nichts anderes als Krieg kannte.  Nur als seine Mutter in dieser Nacht in das brennende Haus wollte, um noch ein paar Sachen zu retten, hätten er und seine Geschwister laut geschrien. Nachbarn haben versucht, sie zu beruhigen.

Am nächsten Morgen wurden die Überlebenden der Nacht, von sieben Lastwagen abgeholt und zum Bahnhof Aumühle gebracht. Von dort gelang ihnen endlich die Flucht, sie fuhren nach Osten, zu einer Verwandten. 

Bis heute kriegt Herr Blandow immer noch einen Schrecken, wenn er die Sirenen der Stadt hört, weil er denkt, es kommt zu einem Angriff, so wie damals. Das hat ihn bis heute geprägt. 

Bericht von Amelie Speckels 10k